Es gibt Grenzen des Anstands
Landeshauptmann-Stv. und FPÖ-Landesparteiobmann Dr. Manfred Haimbuchner im Interview mit den OÖN über seinen Impfstatus, Kickl, Corona-Demos und die Corona-Politik.
Wie würden Sie 2021 in einem Satz beschreiben?
Ein schwieriges Jahr – ich bin überzeugt, dass 2022 besser wird.
Nun ist es zehn Monate her, dass Sie schwer an Corona erkrankten, wie geht es Ihnen?
Ausgezeichnet. Ich habe bessere Werte als vor der Erkrankung, vielleicht auch, weil man auf manches gesundheitlich mehr achtet.
Sind Sie mittlerweile geimpft, oder haben Sie einen Termin?
Ich bin wohl eine der bestuntersuchten Personen, weil ich mir jeden Monat meine Antikörper bestimmen lasse. Die Werte sind zuletzt sogar gestiegen. Wenn sie abfallen, werde ich impfen gehen.
Die überwältigende Mehrheit der Mediziner und Wissenschafter appelliert, sich impfen zu lassen, weil es ein wirksames und sicheres Mittel gegen die Pandemie ist – bei Omikron der Booster. Warum raten Sie Ihren Landsleuten immer noch nicht, sich impfen zu lassen?
Ich sage konsequent: Es ist eine höchstpersönliche Entscheidung. Ich rate jedem, sich mit dem Arzt des Vertrauens zu besprechen.
Sind es nicht parteipolitische Motive, um Protest zu nutzen, Wähler nicht zu vergraulen bzw. MFG-Wähler zurückzugewinnen?
Ich habe meine Entscheidung ja bekanntgegeben, dass ich mich impfen lassen werde. Wir werden dieses Virus aber durch die Impfung alleine nicht bewältigen können. Nach derzeitigem Stand schützt die Impfung vor einem schweren Verlauf. Man muss identifizieren, wer zu einer Risikogruppe gehört und einen besonderen Schutz braucht. Die Informationskampagne der Bundesregierung ist vollkommen gescheitert. Es wurde gesagt, man wird das Virus besiegen. Man hat genau gewusst, man kann ein Virus nicht besiegen. Man kann hoffen, es unter Kontrolle zu bringen. Es wurde unseriös gesagt, für Geimpfte sei die Pandemie vorbei. Da steckt politisches Kalkül dahinter. Bei dem, was ich sage, nicht. Wir wissen, die Impfung schützt nicht vor Ansteckung.
Aber nicht nur sind mit Abstand mehr Ungeimpfte auf der Intensivstation, auch die Inzidenzen sind bei ihnen viel höher.
Die Frage ist, wer aller als ungeimpft gilt. Auch da kennt sich niemand mehr aus. Wenn der Grüne Pass verkürzt wird und dadurch eine Million Österreicher als ungeimpft gelten, sieht man, dass in Kommunikation und Aufklärung viel schiefgegangen ist.
In der FPÖ gibt es unterschiedliche Ansichten. Manche können sich sogar eine Impfpflicht vorstellen. Einigen anderen ist Ihr Kurs aber zu wenig scharf im Vergleich zu jenem von Herbert Kickl. Wie halten Sie den Deckel drauf?
Das sind Entscheidungen, die jeder für sich selbst treffen muss. Das ist völlig unproblematisch. Es betrifft alle Parteien. Wenn es um Verfassungsrechte und persönliche Integrität geht, wirken nicht nur Parteiprogramme oder -beschlüsse.
Sie treten gegen Corona-Maßnahmen auf. Wie sollte die Pandemie bewältigt werden, ohne dass Ärzte und Pflegekräfte immer wieder massiv belastet werden, Eingriffe verschoben werden und Long Covid viele Menschen plagt?
Es darf keine Denk- und Diskussionsverbote geben. Die Pandemie wird auf der Welt mit unterschiedlichen Maßnahmen bewältigt. Man hat sich in Österreich zu sehr auf Lockdown- und 2GFragen konzentriert. Man hätte zum Beispiel viel mehr mit mobilen Teams infizierte Personen vor Ort behandeln müssen. Nicht wenige Ärzte sagen mir, es gibt auch Patienten auf der Normalstation, die zuhause hätten behandelt werden können.
Am besten wäre doch, die Leute erkranken erst gar nicht.
Wir haben ja nicht weniger Infizierte, sondern immer mehr. Das beste Beispiel ist der Kanzler, der geboostert ist. Ich mache ihm persönlich keinen Vorwurf, aber im Unterschied zu Ungeimpften, die sich testen und gesund sind, darf er überall teilnehmen, Ski fahren, in der Hütte sein. Dort kann man sich infizieren. Das Auseinanderdividieren von Geimpften und Ungeimpften und der Umgang mit Genesenen nach sechs Monaten, bei denen man sich die Antikörper nicht ansieht, sind ein Versagen.
Sie haben Widerstand gegen die Impfpflicht, die Anfang Februar in Kraft treten soll, angekündigt. Wann klagen Sie?
Die Impfpflicht wird bekämpft, parlamentarisch und vor dem VfGH. Ich gehe davon aus, dass sie so wie derzeit diskutiert nicht kommen wird und kann. Ich verweise auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Vorjahr, wonach eine Impfpflicht unter mehreren Voraussetzungen grundrechtskonform wäre. Mindestens gegen zwei verstößt der Entwurf. Ich halte es für peinlich, dass die Regierung sehenden Auges ein menschenrechtswidriges Vorhaben verfolgt.
Bei den Corona-Demonstrationen sind neben besorgten Bürgern extremistische Gruppen dabei. Laut Polizei steigt die Gewaltbereitschaft. Macht Ihnen das Sorgen?
Mir macht die Stimmung insgesamt Sorgen, das hat aber die Regierung mit ihrer Politik des Auseinanderdividierens verursacht. Demonstrieren ist ein Grundrecht für alle in einem aufgeklärten Staat. Leider gibt es die Gefahr, dass Demos von extremistischen Gruppen unterlaufen werden. Aber der Großteil ist friedlich.
Bundesparteichef Herbert Kickl verteidigt antisemitische Codes bei Demos und vergleicht die Corona-Politik mit Entwicklungen des Nationalsozialismus. Sie auch?
Die Grenzen der Meinungsäußerung in einem liberalen Rechtsstaat gibt die Verfassung vor. Werden sie überschritten, greifen Exekutive oder staatliche Behörden ein. Und es gibt Grenzen des Anstands, die muss jeder für sich selbst wählen. Da gibt es auch Aussagen auf Demonstrationen, die schwer erträglich sind, aber das ist in einer Demokratie zu ertragen.
Hat Kickl Grenzen überschritten?
Das beurteile ich nicht, weil das Klima im Parlament, diese giftige Atmosphäre, in erster Linie von der Bundesregierung herbeigeführt wurde. Ich denke an Aussagen, wonach Weihnachten für Ungeimpfte ungemütlich wird.
Können Sie mit Kickls Stil leben?
Jeder hat seinen eigenen Stil und den Weg, den er gehen will, wo er authentisch ist. Ich werde meine Art zu kommunizieren nicht ändern, und ich nehme an, das wird auch auf andere zutreffen.
Landeshauptmann Thomas Stelzer vom Koalitionspartner ÖVP und Sie sind seit Oktober nicht gemeinsam aufgetreten. Stelzer und Christine Haberlander gehen offenbar ohne Sie durch die Coronakrise. Kann man so auf Dauer regieren?
Wir sind sehr wohl gemeinsam bei Expertenboards oder sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen. Wir besprechen die Probleme. Ich bin nicht Gesundheitsreferent, sondern Wohnbau-, Naturschutz-, Familien- und Baureferent. Die Pandemiebekämpfung läuft über die Bundesregierung.
Sie greifen die VP-geführte Bundesregierung an, sind anderer Meinung bei Corona und Impfpflicht und prangern Mängel im Aufbau von Spitalspersonal und in der Kinderreha an, was in die Kompetenz der Landes-VP fällt. Wie läuft da der persönliche Austausch?
Mit Verlaub, wir sind zwei unterschiedliche Parteien, da hat man unterschiedliche Zugänge. Relevant ist, wie man das Land in sechs Jahren gestaltet. Hier funktioniert die Zusammenarbeit einwandfrei.
Wer soll für die FPÖ bei der Bundespräsidentenwahl im November antreten, wieder Norbert Hofer?
Wir werden das in den Gremien besprechen. Dass ich ein Freund von Norbert Hofer bin, ist bekannt.
Was wünschen Sie sich für 2022?
Gesundheit für alle und dass die Spaltung der Gesellschaft überwunden wird